Volumen vs. Intensität als Haupttreiber für Hypertrophie

Was ist wichtiger für maximalen Muskelaufbau: Mehr Trainingsvolumen (also Sätze und Wiederholungen) oder eine höhere Intensität (schwerere Gewichte)? Diese Frage sorgt seit Jahrzehnten für Diskussionen in der Kraftsportwelt. In diesem Blogbeitrag werfen wir einen detaillierten Blick auf die Rolle von Volumen und Intensität als Treiber für Hypertrophie (Muskelwachstum) – verständlich erklärt, mit aktuellen Studienergebnissen untermauert, und praktischen Empfehlungen für Dein Training.

Volumen vs. Intensität als Haupttreiber für Hypertrophie

Volumen und Intensität im Krafttraining – Begriffsdefinition

Trainingsvolumen bezeichnet die gesamte Menge an Training, die ein Muskel absolviert. In der Praxis wird es oft als Anzahl der „harten“ Arbeitssätze pro Muskelgruppe pro Woche gemessen. Ein Arbeitssatz ist dabei ein Satz, der nahe an die Muskelerschöpfung (Muskelversagen) herangeführt wird. Mehr Sätze (und Wiederholungen) bedeuten höheres Gesamtvolumen. Beispiel: 3 Übungen mit jeweils 4 Sätzen machen insgesamt 12 Sätze Trainingsvolumen für diese Muskelgruppe aus.

Trainingsintensität beschreibt, wie schwer die Last im Verhältnis zu deinem Maximum ist. Meist wird sie als Prozentsatz des 1-Wiederholungs-Maximums (%1RM) angegeben. 100% Intensität wäre ein Gewicht, das Du nur einmal heben kannst (1RM). 80% 1RM entspricht etwa einem Gewicht, mit dem ca. 8–10 Wiederholungen möglich sind. Hohe Intensität bedeutet also schwere Gewichte (wenige Wiederholungen), niedrige Intensität entsprechend leichtere Gewichte (dafür mehr Wiederholungen). Wichtig: Im Hypertrophietraining versteht man unter Intensität nicht das subjektive Anstrengungsgefühl, sondern objektiv die Last.

Beide Parameter – Volumen und Intensität – sind wichtige Stellschrauben im Krafttraining. Doch welcher Faktor trägt mehr zum Muskelwachstum bei? Schauen wir uns zunächst das Volumen an.

Trainingsvolumen: Hauptmotor für Muskelhypertrophie

Das Trainingsvolumen gilt in der Sportwissenschaft als einer der wichtigsten Faktoren für effektiven Muskelaufbau. Zahlreiche Studien zeigen einen klaren Zusammenhang zwischen dem Umfang des Trainings und dem Zuwachs an Muskelmasse: Mehr Volumen führt (bis zu einem gewissen Punkt) zu mehr Hypertrophie1. So fand eine systematische Übersichtsarbeit von Schoenfeld et al. (2017) heraus, dass Probanden, die über 10 Sätze pro Woche und Muskel absolvierten, etwa 36 % mehr Muskelwachstum erzielten als jene mit weniger als 5 Sätzen pro Woche1. Mit steigendem Volumen nehmen die Muskelzuwächse also zunächst zu – dieses Verhältnis bezeichnet man als Dosis-Wirkungs-Beziehung.

Ein praktisches Beispiel: In einem 8-wöchigen Experiment mit trainierten Kraftsportlern wurden drei Gruppen mit unterschiedlichem Volumen verglichen. Die High-Volume-Gruppe absolvierte 5 Sätze pro Übung, die moderate Gruppe 3 Sätze und die Low-Volume-Gruppe nur 1 Satz pro Übung (alle trainierten drei Mal pro Woche). Das Ergebnis: Alle Probanden konnten Muskulatur aufbauen, jedoch zeigte die High-Volume-Gruppe bei Muskelquerschnittsmessungen deutlich größere Zuwächse (z.B. in Bizeps und Oberschenkel) als die Low-Volume-Gruppe. Interessanterweise steigerten alle Gruppen ihre Maximalkraft (1RM) in ähnlichem Ausmaß – doch für das Muskelwachstum brachte das hohe Volumen einen klaren Vorteil2. Dieses Ergebnis unterstützt die These, dass das Volumen der entscheidende Faktor für Hypertrophie ist, während eine geringe Satzzahl selbst bei hoher Intensität das Muskelwachstum limitiert.

Wie viel Volumen ist optimal?

Natürlich kann man das Trainingsvolumen nicht unbegrenzt steigern – irgendwann kommen abnehmende Erträge oder sogar Überlastung ins Spiel. Die Kunst besteht darin, genug Volumen für maximalen Reiz zu setzen, ohne die Regenerationsfähigkeit zu überfordern. Aktuelle Untersuchungen deuten darauf hin, dass sich ein Großteil der Sportler in einem Bereich von etwa 10 bis 20 Sätzen pro Muskelgruppe und Woche optimal entwickelt. Eine neuere systematische Review (Baz-Valle et al. 2022) analysierte Studien mit moderatem (12–20 Sätze/Woche) vs. hohem Volumen (>20 Sätze/Woche) bei gut trainierten jungen Männern: Im Durchschnitt erzielten die Gruppen mit 12–20 Sätzen ähnlich gute oder sogar bessere Muskelzuwächse als Gruppen mit noch höherem Volumen4. Die Autoren schlagen daher ~12–20 Sätze pro Woche als groben Orientierungswert für effektives Hypertrophietraining vor4.

Wichtig ist jedoch zu beachten, dass es individuelle Unterschiede gibt. Manche Fortgeschrittene vertragen und benötigen höhere Umfänge (>20 Sätze) für optimale Fortschritte, während andere bereits mit moderatem Volumen ihr Optimum erreichen. Zu wenig Volumen (z.B. nur 2–4 Sätze/Woche) wiederum liefert oft keinen ausreichenden Wachstumsreiz, insbesondere sobald die anfänglichen Anfängerfortschritte (“Noobie Gains”) abgeklungen sind. Unterm Strich lässt sich festhalten: Trainierst Du ein Muskelgruppe dauerhaft mit zu wenigen Sätzen, verschenkst Du Potenzial für Muskelaufbau – erhöhst Du aber das Volumen exzessiv über Dein Regenerationsvermögen hinaus, stagnieren die Fortschritte ebenfalls. Finde also einen Volumenbereich, der fordernd aber noch gut regenerierbar ist, und steigere Dein Volumen langsam über die Zeit, anstatt sprunghaft viel mehr zu trainieren.

Trainingsintensität: Wie schwer sollten die Gewichte sein?

Was ist mit der Trainingsintensität – muss man immer super schwer (nahe 1RM) trainieren, um Muskeln aufzubauen? Die überraschende Antwort der Wissenschaft: Für die Hypertrophie sind sehr hohe Lasten nicht zwingend nötig. Entscheidend ist vor allem, dass der Muskel genügend stark beansprucht wird – und das kann auch mit moderaten Gewichten geschehen, solange man nahe an die Ermüdungsgrenze geht. Eine Meta-Analyse von 21 Studien verglich schwere Gewichte (klassisches Krafttraining mit >60 % 1RM, z.B. 6–10 Wiederholungen) mit leichteren Gewichten (<60 % 1RM, z.B. 15–20+ Wiederholungen), jeweils ausgeführt bis zum Muskelversagen. Das Resultat: Die Zuwächse an Muskelmasse waren in beiden Fällen praktisch gleich groß3. Mit anderen Worten – egal ob Du 5 Wiederholungen mit 80 % deines Maximalgewichts oder 20 Wiederholungen mit 50 % 1RM trainierst, am Ende kann ein vergleichbarer Hypertrophiereiz stehen, solange Du den Satz sehr anstrengend gestaltest.

Der Unterschied zeigt sich jedoch in der Auswirkung auf die Maximalkraft: Hier hatten die Probanden, die mit schwereren Lasten trainierten, einen deutlich größeren Zuwachs an 1RM-Stärke als die Leichtgewicht-Gruppe3. Das ist logisch, da Kraft stark vom neuromuskulären Training mit hohen Lasten abhängt – aber für den Querschnitt der Muskeln spielt das Gewicht an sich eine geringere Rolle, solange der Muskel ausreichend „erschöpft“ wird.

Was heißt das konkret? Moderate Lasten im Bereich von ca. 60–75 % 1RM (Gewichte, mit denen man etwa 8–15 Wiederholungen schafft) gelten als ideal für Hypertrophie, weil man damit genügend Wiederholungen für ein hohes Volumen bekommt, ohne dass die Sätze zu langwierig werden. Aber auch etwas leichtere oder schwerere Ansätze können funktionieren. Entscheidend ist, dass die letzten Wiederholungen eines Satzes wirklich anstrengend sind – d.h. Du näherst Dich dem Muskelversagen und spürst ein intensives Brennen in der Muskulatur. Dann werden nach dem „Henneman’schen Größeneffekt“ die großen, wachstumsrelevanten Muskelfasern rekrutiert: Bei leichten Gewichten kommen sie erst ins Spiel, wenn die kleinen, ausdauernden Fasern ermüdet sind. Bei sehr schweren Gewichten werden sie von Beginn an aktiviert. Beide Wege führen letztlich zum Ziel, nämlich möglichst viele Muskelfasern ausreichend zu belasten, um Wachstum anzustoßen.

Wichtig: Ganz geringe Intensitäten (z.B. 20–30 % 1RM) sind für Muskelaufbau weniger effizient. Zwar gibt es Studien, in denen selbst mit 30 % 1RM Wachstum erzielt wurde, aber die Probanden mussten dafür 30+ Wiederholungen bis zum völligen Versagen ausführen – etwas, das in der Praxis extrem ermüdend und für die meisten nicht dauerhaft realistisch ist. Als Faustregel sollte die Last so gewählt sein, dass pro Satz etwa 6 bis 20 Wiederholungen möglich sind. In diesem Spektrum hat man einen guten Kompromiss aus Spannung (genug Gewicht) und Volumen (genug Wiederholungen).

Volumen vs. Intensität – was treibt die Hypertrophie nun stärker an?

Betrachtet man die Evidenz, kristallisiert sich heraus: Das Trainingsvolumen ist der primäre Treiber für die Muskelhypertrophie, vorausgesetzt die Intensität überschreitet eine gewisse Mindestschwelle. Mit anderen Worten – Du solltest nicht zu leicht und „lasch“ trainieren (mindestens moderates Gewicht und harte Anstrengung müssen schon sein), aber solange dieses Kriterium erfüllt ist, bringen zusätzliche Sätze in der Regel mehr Wachstum. Mehr Gewicht auf der Hantel bringt dagegen nicht automatisch mehr Muskeln, wenn dadurch das Gesamtvolumen begrenzt bleibt.

Für den Praktiker bedeutet das: Wenn Dein Ziel Muskelaufbau ist, lege den Fokus darauf, genügend „harte“ Arbeitssätze pro Woche zu absolvieren. Du musst nicht jedes Training mit maximalen Gewichten angehen. Eine zu starke Fokussierung auf Intensität (z.B. ständig 1–5 Wiederholungen im Maximalbereich zu machen) liefert zwar exzellente Kraftzuwächse, aber die Gesamtzahl der stimulierenden Wiederholungen für Hypertrophie kann dabei zu gering sein. Umgekehrt solltest Du aber auch nicht endlose Sätze pumpen, während die Gewichte lächerlich niedrig sind – ein gewisses Spannungsniveau ist nötig, um alle Muskelfasern effektiv zu aktivieren.

Man kann es so zusammenfassen: Spanne (Intensität) erzeugt den Wachstumsreiz, aber die Anzahl der Wiederholungen und Sätze (Volumen) entscheidet, wie oft dieser Reiz gesetzt wird. Beide Faktoren spielen zusammen, doch um maximal Muskeln aufzubauen, solltest Du eher mehr Volumen innerhalb eines vernünftigen Intensitätsbereichs anstreben, statt immer nur schwerer zu heben.

Praktische Tipps: So kombinierst Du Volumen und Intensität optimal

  • Wähle einen passenden Satzumfang: Orientiere Dich an etwa 10–20 Arbeitssätzen pro Muskelgruppe pro Woche als Startpunkt. Anfänger können am unteren Ende beginnen (z.B. 8–10 Sätze) und Qualität vor Quantität setzen. Fortgeschrittene, die Plateau erreichen, können schrittweise Sätze hinzufügen. Beobachte Deine Fortschritte: Wenn Du trotz ausreichender Regeneration keine Fortschritte machst, könnte etwas mehr Volumen sinnvoll sein. Achte aber darauf, nicht abrupt dein Volumen zu verdoppeln – Steigerungen moderat um ~20 % sind vernünftiger.
  • Intensität moderat bis hoch wählen: Trainiere überwiegend im Bereich von 6 bis 15 Wiederholungen pro Satz. Das entspricht etwa 60–85 % deines 1RM und liefert einen guten Hypertrophiereiz. Einzelne Phasen mit etwas höheren Wiederholungszahlen (15–20) oder niedrigeren (5–8) kannst Du einstreuen, um Abwechslung zu schaffen, aber der Großteil deines Trainings sollte in einem mittleren Bereich stattfinden, wo Du sowohl genug Spannung als auch genügend Volumen erreichst.
  • Nah am Muskelversagen trainieren: Die letzten Wiederholungen eines Satzes sollten schwer fallen. Ein guter Richtwert ist, den Satz zu beenden, wenn nur noch etwa 1–3 Wiederholungen im Tank geblieben wären (das nennt man Reps in Reserve, RIR). Komplettes Muskelversagen in jedem Satz ist nicht nötig und kann die Erholung erschweren, aber wenn Du immer weit vor der Ermüdung aufhörst, verschenkst Du Wachstumsreize. Gerade bei leichteren Gewichten ist es wichtig, ausreichend nahe ans Limit zu gehen.
  • Progressive Überlastung sicherstellen: Egal ob durch mehr Volumen oder mehr Intensität – im Laufe der Wochen und Monate solltest Du die Trainingsbelastung schrittweise erhöhen, um neue Reize zu setzen. Das kann bedeuten: mehr Wiederholungen mit dem gleichen Gewicht schaffen, das Gewicht erhöhen, oder auch zusätzliche Sätze/Übungen hinzufügen. Steigere entweder Volumen oder Intensität in kleinen Schritten und nie beides gleichzeitig in riesigen Sprüngen, um Übertraining und Verletzungen zu vermeiden.
  • Regeneration beachten: Viel hilft viel gilt nur bis zu einem gewissen Punkt. Höre auf Deinen Körper – bei andauernder Müdigkeit, Leistungsabfall oder ständigem Muskelkater könnte Dein Volumen zu hoch sein. In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, das Volumen etwas zu reduzieren oder eine deload-Woche einzulegen. Die besten Ergebnisse erzielst Du in dem Bereich, den Du noch gut regenerieren kannst. Qualität des Trainings (saubere Technik, mind-muscle connection, ausreichender Schlaf und Ernährung) ist genauso wichtig wie die bloße Anzahl der Sätze.

Zusammengefasst: Für Muskelaufbau solltest Du vor allem sicherstellen, dass Du genug effektives Volumen trainierst. Nutze ausreichend schwere Gewichte, aber glaube nicht, dass immer noch schwerer automatisch besser für den Muskelzuwachs ist – entscheidend ist die Kombination aus Last und Umfang. Wenn Du dieses Zusammenspiel meistern und kontinuierlich anpassen kannst, hast Du den wichtigsten Hebel für Hypertrophie in der Hand!

Quellenverzeichnis

  1. 1
    Schoenfeld et al. (2017)
    Dose-response relationship between weekly resistance training volume and increases in muscle mass: A systematic review and meta-analysis
    https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27433992/
  2. 2
    Schoenfeld et al. (2019)
    Resistance training volume enhances muscle hypertrophy but not strength in trained men
    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6303131/
  3. 3
    Schoenfeld et al. (2017)
    Strength and hypertrophy adaptations between low- vs. high-load resistance training: A systematic review and meta-analysis
    https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28834797/
  4. 4
    Baz-Valle et al. (2022)
    A systematic review of the effects of different resistance training volumes on muscle hypertrophy
    https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC8884877/